Container über Bord – die absolute Ausnahme

Immer wieder ist von Containern zu lesen, die auf hoher See ins Meer fallen. Forderungen nach besserer Kennzeichnung insbesondere von Gefahrgut-Boxen sind vor diesem Hintergrund durchaus nachvollziehbar. Um über Bord gegangene Container besser zu orten, sollten allerdings nur Veränderungen ernsthaft angegangen werden, die im Ernstfall praktikabel sind, weltweit umgesetzt werden können und bei denen Aufwand und tatsächlicher Nutzen in einem vertretbaren Verhältnis stehen.

Folgende Punkte sind dabei aus Sicht des VDR zu beachten:

  • Solche Vorfälle sind eine absolute Ausnahme. Im Jahr 2021 sind auf der ganzen Welt etwa 3000 Boxen pro Jahr über Bord von Containerschiffen – das ist angesichts der im gleichen Zeitraum transportierten Menge von mehr als 150 Millionen Containern ein verschwindend geringer Anteil. Das entspricht 0,0019 Prozent der transportierten Container. Zum Vergleich: 2019 gab es 1,74 Millionen Passagierflüge weltweit mit 293 Todesopfern bei Flugzeugunglücken. Das entspricht 0,017 Prozent.
  • Schon heute gilt weltweit ein umfangreiches Regelwerk, welches gerade bei sensibler Ladung regelmäßig überprüft wird. Der IMDG Code (International Maritime Code for Dangerous Goods) wird von der IMO herausgegeben. In diesem Regelwerk, 1965 eingeführt, werden umfangreiche rechtsverbindliche Vorgaben über die Klassifizierung, Kennzeichnung, Verpackung, Lagerung, Dokumentation sowie Handhabung von Gefahrgütern an Bord von Schiffen und in Häfen gemacht. Als Bestandteil der nationalen Gefahrgutverordnung See (GGVSee) wurde dieses internationale Basisregelwerk in Deutschland in nationales Recht umgewandelt 
  • Nicht zuletzt deshalb ist das Schiff ein so sicheres Transportmittel. Wer jetzt sogar fordert, solche Transporte auf Schiffen ganz zu verbieten, muss weitreichende Folgen für unser aller Alltagsleben in Kauf nehmen. Schifffahrt ist eine globale Industrie. Schiffe und Container sind überall auf der Welt im Einsatz – veränderte Regelungen müssten dementsprechend weltweit gelten. Eine rein deutsche Regelung würde deutsche Unternehmen gegenüber anderen benachteiligen, v.a. aber nicht zielführend sein, da auf Nord- oder Ostsee in großer Zahl Schiffe verkehren, deren Reeder nicht an eine deutsche Gesetzgebung gebunden wären.
  • Das Tracking von Containern generell ist schon länger Gegenstand von Diskussionen bei der IMO. Lithium-batteriebetriebene Sender (Tracking and Tracing Devices) könnten in absehbarer Zukunft im Rahmen der Digitalisierung an vielen Containern vorhanden sein. Bereits jetzt werden neue Container vielfach mit solchen Sendern ausgerüstet, zum Beispiel Kühlcontainer (Reefer), die oft besonders wertvolle Ladung transportieren. Vor allem geht es hier allerdings bislang um die Ladungsverfolgung im Hafen oder an Land, um globale Lieferketten zu optimieren.

 
Problematisch ist, dass die Tracking-Sender zwar nach ISO-Norm gebaut werden, freilich bisher keine Spezifikationen der IMO vorliegen und auch bei der IMO in deren Gefahrgutgremium erst jetzt welche beraten werden. Ziel sind Spezifikationen, die eine sichere Beförderung auch an Containern mit Gefahrgut zulassen, bei der die bereits jetzt verwendeten Sender aber nicht ersetzt werden müssen. Peilsender mit Lithium-Batterien gelten selbst als Gefahrgut, das möglicherweise mit anderen, in den Containern transportierten Stoffen gefährlich reagieren kann.
 
Diese herkömmlichen Peilsender können allerdings notfalls auch nicht unter Wasser geortet werden. Dazu bräuchte es spezielle, aufwendigere Peilsender, wie man sie etwa aus Flugschreibern in der Luftfahrt kennt. Die hierfür vorgesehene und besonders stabile Gehäuseeinheit mit dem/den Speicher(n) müsste längere Zeit auch hohen hydrostatischen Wasserdruck standhalten. Eine Ausrüstung von Containern weltweit mit herkömmlichen Tracking Devices und zusätzlich derartigen Unterwasser-Peilsendern erscheint allerdings wegen des dafür nötigen Aufwands und des tatsächlichen Nutzens unrealistisch. Im ungünstigsten Fall könnte diese beim Unfall von der Speichereinheit abgetrennt werden, was das Auffinden erheblich erschwert oder unmöglich macht.
 
Eine Vorschrift zur Ausrüstung aller Gefahrgutcontainer ist zudem nur mit enormem Aufwand umsetzbar, da es Spezialcontainer für Gefahrgut die Ausnahme sind, sondern Standardcontainer bei Beladung mit Gefahrgut als solche deklariert und gelabelt werden. Das hängt damit zusammen, dass der Begriff Gefahrgut im IMDG Code bewusst sehr weit gefasst ist und etwa Parfüm, Sprühsahne oder die meisten Waschmittelkonzentrate oder auch Tischtennisbälle als gefährliche Güter im Sinne des Codes gelten. Jeder Verlader dieser Waren muss weltweit seit Jahrzehnten die im Code festgesetzten genauen Vorschriften bei ihrer Verpackung beachten.