Sechs Wochen als Ferienfahrerin

Mein Name ist Britta Schippmann, ich bin 17 Jahre alt und lebe in Bochum. Wenn man im Ruhrgebiet jemandem erzählt, dass man nach der Schule Nautik studieren möchte, wird man oft zunächst fragend angeschaut. Wenn man dann erklärt, dass es sich um Navigation in der Seefahrt handelt, verwandelt sich die Reaktion in Verwunderung. (...)

Als eine Freundin meiner Mutter in der Zeitung von dem Ferienfahrer-Programm des VDR gelesen und uns davon erzählt hatte, wusste ich sofort: Da muss ich mich auf jeden Fall bewerben! Gesagt, getan. Als knapp zwei Wochen nach Bewerbungsschluss die Zusage kam, waren die Freude und die Aufregung riesengroß. Ich sollte auf einem Containerschiff der deutschen Traditionsreederei Hapag-Lloyd, der „Düsseldorf Express“, sechs Wochen lang einmal in den Golf von Mexiko und wieder zurück fahren.

Die „Düsseldorf Express“ der Reederei Hapag-Lloyd hat eine Kapazität von 4.612 TEU und fährt unter deutscher Flagge.

So stand ich dann furchtbar aufgeregt mit meinem Vater am Eurogate-Terminal in Bremerhaven und wartete darauf, dass die „Düsseldorf Express“ endlich anlegte. Hier lernte ich auch gleich meinen Ferienfahrer-Kollegen Lasse kennen. Dann ging alles ganz schnell: eben noch verabschiedet, rein in den Shuttlebus, und schon war man auf seinem neuen Zuhause für die nächsten sechs Wochen. Es folgte Anmusterung, Zuweisung der Kabine, und ehe man sichs versah, half man auch schon in der frisch erhaltenen Arbeitskleidung beim Einlagern des Proviants. Am nächsten Tag ging es dann richtig los. Nachdem wir durch den Schiffsmechaniker-Azubi Markus eine Schiffsführung und eine Sicherheitseinweisung durch den Vierten Offizier erhalten hatten, begann das Auslaufen aus Bremerhaven. Für mich hieß das: zum allerersten Mal auf der Brücke bei einem Auslaufmanöver dabei sein. Ich wurde dann auch direkt zum Bell-Book-Schreiben – eine unserer Hauptaufgaben bei Manöverfahrten in den nächsten sechs Wochen – eingespannt.

Noch nicht mal einen Tag später kamen wir in Le Havre an. Hier wurde unter der Aufsicht von Chief Mate Henseler (der auch unser Ausbildungsbeauftragter war) ein Test des Freifallrettungsbootes durchgeführt. Mit der Aussicht, aus zehn Meter Höhe auf die Wasseroberfläche zu fallen, und das auch noch rückwärts, war ich dann doch froh, nur zuzugucken. Alleine das Drinsitzen und Sich-Anschnallen hatte Achterbahncharakter.

Britta Schippmann (rechts) fühlt sich durch die Erlebnisse an Bord in ihrem Berufswunsch „mehr als bestätigt“.

Von Le Havre ging es fast zwei Wochen lang über den Atlantik in den Golf von Mexiko. Die Zeit mit nichts als Wasser um sich herum verging wesentlich schneller als gedacht. Die erste Woche verbrachten wir in der Maschine mit Arbeiten, die vom Entrosten und Neu-Anmalen von Verdampferteilen über das Einbauen von Türschlössern bis zum Reinigen der Zwischenböden der Hauptmaschine reichten. So lernten wir das Engine Department von allen Seiten kennen. In der zweiten Woche über den Atlantik war dann Decksarbeit an der Reihe. Persönlich fand ich dabei das Spleißen eines neuen Auges für eine der Leinen mit am interessantesten. Hierbei arbeiteten wir auch zum ersten Mal gemeinsam mit dem Bootsmann, der uns immer die Aufgaben an Deck zuwies und von Lasse und mir sofort ins Herz geschlossen wurde, da er immer durch gute Laune bestach und nebenbei noch super erklären konnte. So war auch die Erläuterung des Aufbaus von Leinen kein Problem, und das, obwohl Englisch für keinen von uns die Muttersprache war. (...)

Entlang der Ostküste ging es dann über Altamira weiter nach Houston, wo wir dank der Organisation unseres Kapitäns Herrn Scheer mit einem Teil der Besatzung einen Ausflug in das NASA Space Center machten. (...) Nach zwölf Stunden Manöverfahrt für den Kapitän den Mississippi hinauf, von denen wir auch vier Stunden auf der Brücke verbracht haben, erreichten wir New Orleans. (...) Nach Charleston mit der für mich schönsten bis dato erlebten Revierfahrt am frühen Morgen ging es dann nach bereits einem verbrachten Monat an Bord wieder zurück gen Europa.

Es hieß wieder anderthalb Wochen überall Wasser. Doch Zeit, darüber nachzudenken, hatten wir eher wenig. Im Verlauf der Seereise entwickelten sich meine Interessen mehr in Richtung Deck, und so durfte ich auf eigenen Wunsch nur noch im Deck Department arbeiten. Dort war ich vor allen Dingen mit Malen und anstehenden Reinigungsarbeiten beschäftigt. In dieser Zeit durften wir auch zum ersten Mal in einen der Laderäume unter Deck. Wenn man dort unten steht, werden einem die Dimensionen eines Containerschiffes erst so richtig bewusst, denn schließlich sind unter Deck noch mehr Container verstaut, als man an Deck sieht. Besonders inte­ressant war auch die Begehung eines Ballastwassertanks zusammen mit dem Chief Mate und dem Bootsmann. (....)

„Die Crew hat uns sofort freundlich aufgenommen und gab uns immer das Gefühl, vollwertige Mitglieder der Besatzung zu sein. Mit Freude wurde alles erklärt und uns unter die Arme gegriffen.“