Landstromversorgung in Deutschland

SCHIFFE AN DIE STECKDOSE: SO FUNKTIONIERT ES IM HAFEN

LANDSTROM: EINE MÖGLICHKEIT, EMISSIONEN ZU REDUZIEREN

Seeschiffe brauchen auch im Hafen Energie, für den Betrieb der Bordsysteme oder die Kühlung von Containern. Die Versorgung mit externem Strom während der Liegezeit nennt man Landstrom – meist über Kabel von einer Stromquelle am Kai zu einer Steckdose an Bord.

Bislang nutzen Schiffe während der Liegezeit meist ihre so genannten mit Diesel betriebenen Hilfsdiesel. Die Hauptmaschine wird ausgeschaltet, sobald das Schiff an der Pier festgemacht hat. Schweröl als Treibstoff ist in europäischen Häfen bereits seit Jahren verboten.

ANLAGEN HABEN BISHER NUR ETWA 20 HÄFEN WELTWEIT

Weltweit gibt es mehrere tausend Häfen. Die Zahl der Häfen mit Landstrom wächst, allerdings bieten derzeit (Stand 2020) nur sieben Häfen in Kalifornien, ein Hafen in China sowie insgesamt ein Dutzend Häfen in Europa (Schweden, Finnland und Deutschland), die Möglichkeit überhaupt an. Derzeit ist nur ein sehr kleiner Teil der Weltflotte landstromfähig.

DEUTSCHE HÄFEN WOLLEN VORREITER SEIN

In deutschen Seehäfen ist Landstrom­versorgung für Seeschiffe noch die Ausnahme – doch es gibt ambitionierte Pläne. Pionier Lübeck reduziert dagegen wieder

TRANSFORMATOREN NÖTIG: UNTERSCHIEDE VON BORD UND LAND

An Land und an Bord werden zumeist unterschiedliche Stromspannungen und -frequenzen genutzt. Die von Land gelieferte Mittelspannung muss landseitig mit einem Transformator auf die Bordnetzspannung umgewandelt werden.

  • Seeschiffe benötigen zusätzliche bordseitige Einrichtungen: bis zu vier „Steckdosen“ am Schiff und die Einbindung in das bordeigene Stromnetz.
  • Umrüstungskosten: bis zu mehreren Millionen Euro
  • Einheitlicher Standard: Technische Anforderungen und Systembeschreibungen, insbesondere zu Spannungen und Steckverbindungen, sind seit 2012 im Dreifachstandard der ISO, IEC und IEEE definiert und mittlerweile weltweit einheitlich.

DAS GILT ES ZU BEACHTEN

Nachhaltiges Konzept
Es hilft dem Klima nicht, wenn Land­strom für Seeschiffe dazu führt, dass statt Strom aus fossilen Brennstoffen an Bord der Schiffe nun Strom aus Kohlekraftwerken genutzt wird.
Im Blick auf den Umweltschutz ist entscheidend: wie wird der Strom von Land erzeugt? Der Anschluss macht für eine Reduktion der CO2-Emissionen nur Sinn, wenn der Strom für die Schiffe aus erneuerbaren Energien stammt. Die Landstromanlage konkurriert immer auch mit alternativen Treibstoffen, die vermehrt in der Seeschifffahrt genutzt werden – und eine ähnlich gute bis ggf. sogar bessere Schadstoff-Bilanz aufweisen.

Wirtschaftliche Bedingungen
Wer die Nutzung von Landstrom steigern will, muss die Bedingungen dafür attraktiver gestalten. Bislang ist der Verbrauch von Strom auf Schiffen ist in fast jedem Land, insbesondere auch in Deutschland, steuerbefreit. Aber nur, wenn der Strom auf dem Schiff erzeugt wird – nicht bei Landstrom. Auf die sogenannte EEG-Umlage sollte deshalb verzichtet werden.
Außerdem sollten die hohen, schiffsseitig notwendigen Investitionen durch einen entsprechend günstigeren Strompreis gegenfinanziert werden können, damit mehr Schiffe entsprechend ausgestattet werden.

Regelmäßige Schiffsverkehre
Landstrom eignet sich besonders für Verkehre, bei denen dieselben Schiffe immer wieder an denselben Liegeplätzen festmachen – wie etwa Fähren. Werden Liegeplätze hingegen oft gewechselt und variieren Größe und Typ der Schiffe, zieht das viele praktische Fragen nach sich.

Längere Liegezeit
Um tatsächlich Wirkung zu entfalten, macht Landstrom-Nutzung nur bei längerer Liegezeit des Schiffs (mehr als drei Stunden) Sinn. Verbindungsaufbau und -abbau brauchen sonst zu viel Zeit.

Flexible Anschlüsse
Am Terminal muss der Landstromanschluss räumlich flexibel möglich sein, um verschiedene Schiffstypen und -größen bedienen zu können. So steht wegen Tide oder Strömung oft vorher nicht fest, wie und wo ein Schiff am Kai festmacht – Steckdose und Stromkabel können dann eventuell nicht verbunden werden.

Klare Haftungsregeln
Der hohe Energiebedarf von Kreuzfahrt- oder Containerschiffen mit Kühlcontainern kann Rückwirkungen auf das gesamte Stromnetz einer Hafenstadt haben. Es muss klar sein, wer etwa bei Stromausfällen haftet. Durch Überspannungen oder Kurzschlüsse kann es zudem zu Schäden am Schiff oder an den Landstromleitungen kommen – auch hier sind Haftungsfragen offen.

LANDSTROM-PFLICHT: WAS DER ZWANG ZUM ANSCHLUSS BEWIRKEN WÜRDE

  • Es braucht enorme Investitionen sowie langwierige Umbaumaßnahmen im laufenden Terminalbetrieb, um den Anschluss flächendeckend anbieten zu können.
  • Ein mit anderen Häfen der Region abgestimmtes Vorgehen ist nötig. Sonst kann es zur Verlagerung des Schiffsverkehrs kommen. Damit wäre weder Hafen noch Umwelt geholfen.
  • Die Initiative der Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für weitere Maßnahmen zur Nutzung von Landstrom in Häfen einzusetzen, erscheint daher sinnvoll.
  • In Kalifornien gibt es bereits seit 2014 eine Landstrompflicht. Die Nutzung funktioniert nach Anlaufschwierigkeiten mittlerweile ohne große Probleme – bleibt aber technisch eine Herausforderung. Die Erfahrungen bei der operativen Umsetzung sollten auch anderswo genutzt werden.

 

EINE ALTERNATIVE, KEINE PATENTLÖSUNG

Der Bau von Landstromanlagen ist kosten- und zeitaufwendig. Gleichzeitig setzt sich in der Seeschifffahrt immer mehr die Nutzung von Treibstoffen durch, die wesentlich weniger Schadstoffe ausstoßen. Der Emissionsausstoß der Schiffe wird sich weiter erheblich reduzieren – auch während der Liegezeit. Absehbar kann so in naher Zukunft eine Situation entstehen, in der an Bord erzeugte Energie in der Gesamt-Ökobilanz vorteilhafter als Landstrom ist.

In bestimmten Verkehren stellt Landstrom eine sinnvolle Alternative zu anderen Formen der Emissionsreduktion im Hafen dar. Es erscheint aber fraglich, ob er die Standardlösung zur Strom­versorgung im Hafen werden sollte.